Über 70 Jahre lang zogen die Mitglieder des Bund der Vertriebenen, Ortsgruppe Ehringshausen Jahr für Jahr an den letzten Apriltagen in den Wald und kehrten nach dem Fällen und geschulterten Transport mit einem „Maibaum“ zurück. Damit ist jetzt Schluss, denn zukünftig ragt in der Ecke Ichelhäuser Straße / Memelstraße das ganze Jahr über die Spitze eines farbenfrohen Mastes über die Dächer Ichelhausens hinaus und wird die Tradition als Mahnmal für die Vertreibung nach dem zweiten Weltkrieg aus den Ostgebieten fortführen. In einer kleinen Feierstunde wurde der neue Mast jüngst vor zahlreichen Ichelhäusern seiner Bestimmung übergeben.

„Ichelhausen entstand in den Jahren von 1950 bis 1970 und 80% der Einwohner waren Vertriebene, die sich am Rande der Ortsgrenze Ehringshausens niederließen“, betont Ortsgruppenvorsitzender Josef Roth. Der Mann der Geburtsstunde Ichelhausens erklärt die Doppelfunktion des Baumes samt bunt geschmückter Spitze, denn die aus seiner Heimat mitgebrachten Tradition des Maibaumstellens dient nicht nur der Erinnerung an die Vertreibung aus den Ostgebieten Ost- und Westpreußen, Nieder- und Oberschlesien, Pommern und dem Sudetenland nach dem Krieg, sondern begrüßt nach dem tristen Grau des Winters auch den bevorstehenden Frühling mit all seiner Farbenpracht.

Auch Ehringshausens Bürgermeister Jürgen Mock ist stolz auf den 12 Meter hohen blau-weißen Mast, der nicht nur die Funktion des Maibaums übernommen hat, sondern auch passend zu anderen Jahreszeiten geschmückt ein optischer Hingucker für die Ichelhäuser ist. Neben den Wappen der Vertreibungsgebiete hängen auch die Vereinswappen des BdV und des Fußball-Club „Leergut“ (FCL) Ichelhausen und das Gemeindewappen an dem Mast, der den Gemeindesäckel 14.000 Euro kostete. Gemeinsam wurde das Projekt auf Initiative des BdV hin mit Unterstützung des FCL, dem Ortsbeirat, der Gemeindevertretung und des Bauhofs realisiert. „Wenn auch nicht pünktlich zum 1.Mai aufgestellt, ist unser Maibaum einmalig im Kreis Wetzlar … und darüber hinaus“, hebt Roth in dem feierlichen Rahmen hervor, der die Chance nutzte dem Ortsvorstehen Marc-Sven Werkmeister für die Unterstützung seinen besonderen Dank auszusprechen. Werkmeister war es, der den nicht laut ausgesprochenen Wunsch des BdV nach einer dauerhaften Lösung in den Ortsbeirat einbrachte und somit den Stein ins Rollen brachte. Roth hatte Werkmeister gegenüber seine Not kund getan, dass es für die bis zu fünfzehnköpfige im Altersdurchschnitt immer älter werdende Fäll- und Tragemannschaft von Jahr zu Jahr schwerer werden würde geeignete Bäume zu finden und diesen letztlich unter der Leitung von Aufstellmeister Ewald Schwarz auf traditionelle Weise Stück für Stück und mit Haltestangen zentimetergenau aufzustellen. Mit Applaus bedankten sich die Ichelhäuser bei allen die den Hilferuf des BdV-Vorsitzenden erhört hatten und an dem neuen Ganzjahres-Maibaum beteiligt waren, unter ihnen auch der anwesende Vorsitzende der Gemeindevertretung Rainer Bell.